Der Schädel brummt. Langsam öffne ich die Augen und blicke in ein verdrecktes, schmuddeliges Zimmer. „Wo bin ich?“, ist mein erste Gedanke, dann kommt die Erinnerung zurück. Ich bin in San Diego, in einem Studentenwohnheim. Freunde besuchen. Die Beine sind schwer vom Alkohol, ich erhebe mich aus dem Bett, begebe mich ins Badezimmer. Überall Schmutz und Klamotten. „Was war gestern los?“, frage ich mich leise. Wie waren feiern, in irgend so einem Hip-Hop Schuppen in Down Town. Ich drehe den Wasserhahn auf, spritze mir kaltes, klares, insofern man in den USA von klarem Wasser reden kann, ins Gesicht. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass es gestern echt heftig gewesen sein muss. Auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer begegnet mir Christoph, einer der Freunde, die wir besuchen. „Na dann mal los, pack deine Sachen, in 30 Minuten ist Abfahrt.“, wirft er mir zu. Ich blicke ihn verdutzt an. „Wir fahren heute nach Las Vegas, hast du dir gestern das Hirn komplett weggeschossen?“, lacht er. Dann habe ich ja noch Zeit, denke ich mir und zünde mir eine Kippe an. Schmeckt das widerlich. Nach eine Zug drücke ich die Zigarette wieder aus. Verkatert und völlig erschöpft, packe ich meine Sachen.
Dann geht es los, wir steigen zu fünft ins Auto. Das Auto sieht so aus, wie die Wohnung im Studentenwohnheim, überall leere Flaschen und Müll. In manchen Flasche schwimmt ein wenig Asche. Hier drüben, darf man seine Kippenstummel, nämlich nicht aus dem Autofenster werfen, da man sonst 1000 Dollar Strafe wegen „Littering“ zahlen muss. „Diese Amis haben schon ein komisches Verständnis von Gerechtigkeit und Gesetzten.“, denke ich mir und muss dabei grinsen. „Sind wir soweit?“, fragt Simon, ein bekannter meiner Freunde, den sie hier drüben kennen gelernt haben. Alle nicken ihm zustimmend zu. So begeben wir uns auf eine 6 stündige Autofahrt nach Las Vegas.
Inzwischen geht es mir wieder besser, mir schmecken sogar die Zigaretten schon wieder. Ich zünde mir eine an. Genüsslich ziehe ich an ihr. Der warme Fahrtwind weht mir ins Gesicht. Mein Blick schweift über die Landschaft Kaliforniens. Es ist alles riesig hier, so weitläufig, ganz anders als bei mir Zuhause. Ich zünde mir noch eine an. Ich weiß nicht was oder wer mich geritten hat aber ich beginne, in der Vorfreude auf Las Vegas, während der Fahrt plötzlich Kette zu rauchen. Ich verschlinge eine nach der anderen. Bin ich wirklich so aufgeregt, habe ich etwa sogar Angst? Ich weiß es nicht, ich lache. Ansonsten läuft die Reise ohne Komplikationen, es gibt keinen Stau, der alte Ford fährt auch ohne Probleme. Plötzlich bemerke ich die Folgen, der Kettenraucherei. Mein Hals fängt an zu kratzen, meine Stimme schwindet. Ich fühle mich schlapp aber lasse mir nichts anmerken. Schließlich wollen wir ja heute wieder richtig feiern in der Stadt, die nie schläft.
Langsam bricht die Nacht über uns herein.
Da erblicke ich helle Lichter. „Ist das Las Vegas.“, höre ich Daniel fragen. Aber ich weiß es, es ist diese Ausstrahlung, diese unfassbare Größe. Es ist Las Vegas. Mir stockt der Atmen. Alles wirkt so pompös, so übertrieben. Wir fahren über den Las Vegas Boulevard. Und da fällt es mir auf. Diese Stadt wirkt nur nach außen so strahlend. Sie ist überlaufen. Überall Touristen, die Fotos machen. Von Drogen zerfressene Gesichter blicken uns an. Wir biegen ab in die Straße unseres Hotels. Wir wohnen im Caesars Palace. Es ist eines der kleineren Hotels in dieser Stadt und dennoch ist es größer, als jedes andere Hotel, in dem ich bis jetzt gewohnt habe. Auf dem Weg zu unserer Suite müssen wir erst einmal durch das Hotel eigene Casino. Dort erblicke ich weitere fertige und müde wirkende Menschen. Sie sitzen da, an den Spieltischen und Automaten, alles um sich herum ausgeblendet. Sie werfen Chetons, bestellen eine Whsikey nach dem anderen. Sie bekommen ihn umsonst. Wenn man spielt, muss man nichts für seine Getränke zahlen. Ich blicke mich um, es gibt keine Fenster, keine Uhren. Ich schaue auf die Uhr. Es ist 18.00 Uhr. Und dann beginne ich zu begreifen. Ohne Fenster und Uhren und mit viel Alkohol, vergisst man die Zeit. Ich frage mich, seit wann manchen Gestalten hier schon sitzen und ob sie überhaupt noch jemals aufstehen werden. Nein, werden sie nicht, zumindest so lange nicht, bis sie kein Geld mehr haben.
Wir gehen zum Aufzug. Fahren in den zwanzigsten Stock. Wir öffnen die Tür und treten ein, in eine Suite, so groß wie mein Wohnzimmer zu Hause. Ich gehe zum Fenster. Der Ausblick ist atemberaubend. Ich erblicke fast die ganze Stadt. Sie strahlt nach außen. Ich packe meine Sachen aus und lege mich hin. Ich fühle mich schlapp. Ich schiebe es auf die Eindrücke, die ich alle erst einmal verarbeiten muss. Aber umso länger ich dort liege desto stärker spüre ich es. Ich werde krank.
Ich schließe die Augen. Ich wache auf, schweiß gebadet, heiß und meine Lunge schmerzt, als hätte jemand einen Dolch hinein gejagt. Und dann realisiere ich es.
Ich bin krank, krank wie die Stadt in der ich bin.